Page 21 - Miteinander + Füreinander - 02 / 2021
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Wir mittendrin





 Brieffreundschaften




 bereiten Freude








    Man könnte meinen, E-Mail   Der Nachbarschaftshilfe-Verein „Solidarburg“,
 und Soziale Medien hätten das Briefeschrei-  der während der Pandemie gegründet wurde,
 ben heute komplett abgelöst. Doch die Freude   hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen mit einem
 über handgeschriebene Briefe, für die sich das   hohen Gesundheitsrisiko oder besonderen
 Gegenüber viel Zeit genommen und Gedanken   Belastungen während der Krise zu unterstützen.   25 Jahre OTA-Ausbildung
 gemacht hat, ist noch immer etwas Besonde-  Bereits zu Weihnachten 2020 erhielten unsere
 res. Diese Erfahrung machen auch einige der   Bewohner*innen  zahlreiche handgeschriebene   „Wir haben damals Pionierarbeit geleistet“
 Bewohner*innen in unserem „Haus am alten   Briefe und gebastelte Karten von Marburger
 Botanischen  Garten“.  Zwischen  interessier-  Bürger*innen. Im Anschluss daran entstand
 ten Senior*innen und Helfenden des Vereins   die Idee, regelmäßige Brieffreundschaften zwi-
   „Solidarburg Nachbarschaftshilfe Marburg“   schen interessierten Senior*innen und Helfen-  Heute ist die OTA-Ausbildung ein fester   Zum Start gab es viel zu organisieren: Netz-
 sind in den vergangenen Monaten tolle Kontakte   den des Vereins zu organisieren, um den älteren   Bestandteil im Angebot der  DRK-Schwestern-  werke mussten aufgebaut werden, Kontakte zur
 und ein schöner Austausch entstanden.   Menschen mehr Kontakte außerhalb des Hau-  schaft Marburg: Nach der dreijährigen Ausbil-  Deutschen Krankenhausgesellschaft, die die
 ses zu ermöglichen.   dung haben die Operationstechnischen Assis-  Richtlinien für die neue Ausbildung erstellt hat,
 Insbesondere  die  „Corona-Monate“  haben  es
 den älteren Menschen schwer gemacht, am   Derzeit gibt es zwölf „Pärchen“, die hin und wie-  tenzen fundierte Kenntnisse, um im OP ihrer   wurden geknüpft und gepflegt. Außerdem galt
 gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.   der Briefe austauschen. Diese Brieffreundschaf-  Arbeit nachgehen zu können. Vor 25 Jahren war   es, Dozent*innen zu finden und sich gemeinsam
 ten bereiten den Bewohner*innen im „Haus am   das noch ganz anders, erinnert sich Christiane   in die spezifischen Anforderungen des Berufs-
 alten Botanischen Garten“ nicht nur viel Freude,   Kempf. Die stellvertretende Vorsitzende der   bildes hineinzufinden: „Wir haben damals viel
 sondern  fördern  zudem  die  Kreativität,  das   DRK-Schwesternschaft Marburg hatte 1996 die   Pionierarbeit geleistet“,  berichtet Christiane
 Schreibvermögen und die Erinnerungsfähigkeit.  Leitung des ersten OTA-Kurses übernommen.   Kempf.
        Damals mussten viele Vorurteile aus dem Weg   Nicht nur für die DRK-Schwesternschaft als
 „Die Senior*innen freuen sich immer sehr über
 einen Brief, auch wenn der eine oder andere,   geräumt werden: „Berufspolitisch war die Ent-  Träger, auch für die angehenden Operations-
 der an einer fortgeschrittenen Demenz leidet,   scheidung, eine solche Ausbildung für die Ope-  technischen Assistent*innen war die Ausbildung
 gar nicht so richtig einordnen kann, wo dieser   rationstechnische Assistenz anzubieten, sehr   1996 Neuland. „Die Auswahl der Teilnehmer*in-
 denn genau herkommt“, erzählt Ramona Holler   umstritten“, erzählt Christiane Kempf. „Die   nen hatte die Uni-Klinik getroffen – wir wussten
 aus der Sozialen Betreuung, die das Projekt mit   Befürchtung war, dass wir unseren eigenen Leu-  Ende Februar noch nicht, wer Anfang März bei
 auf den Weg gebracht hat. „Aber das ist auch   ten die Arbeit wegnehmen.“ Bis dahin mussten   uns auf der Matte steht“, erinnert sich die ehe-
 gar nicht so wichtig, denn wir kommen über die   die OP-Pflegekräfte nach ihrer dreijährigen Aus-  malige Kursleiterin. Deshalb konnten die Kurs-
 Briefe ins Gespräch, und die persönlichen Zei-  bildung zwei Jahre Berufserfahrung sammeln   teilnehmer*innen auch im Vorfeld nicht über
 len lösen große Freude und positive Emotionen   und anschließend noch eine zweijährige Fach-  die Besonderheiten der Ausbildung aufgeklärt
 bei unseren Leuten aus. Post zu bekommen, ist   weiterbildung für den OP absolvieren. „Und jetzt   werden: „Aber trotzdem sind alle dabeigeblie-
 doch etwas Schönes, denn es bedeutet, dass   kamen wir und haben die Leute von Anfang an   ben. Und dann haben wir uns alle gemeinsam
 jemand an einen denkt!“   im OP ausgebildet und qualifiziert. Aber das hat   auf den Weg gemacht, um auszuprobieren: Wie
        sich als absolut richtige Entscheidung erwie-  geht OTA?“
 Die Bewohner*innen werden bei Bedarf beim   sen“, zieht Kempf Bilanz.
 Lesen und bei der Beantwortung der Briefe durch   Seit nunmehr einem Vierteljahrhundert können
 Betreuungskräfte unterstützt. Dabei erzählen   Die  examinierte Krankenschwester  ist über-  sich angehende OTAs nun bei der DRK-Schwes-
 sie von alltäglichen Situationen, aber auch von   zeugt: „Die Menschen, die im OP arbeiten möch-  ternschaft ausbilden lassen. Die neuen Kurse
 Erfahrungen aus ihrem bisherigen Leben. „Und   ten, sind anders gestrickt als diejenigen, die auf   starten jedes Jahr zum 1. August. Anmeldun-
 hin und wieder werden sogar Gemeinsamkeiten   Station pflegerisch tätig sein wollen.“ Wer eher   gen  für das Ausbildungs-
 mit den häufig deutlich jüngeren Brieffreund*in-  einen medizinisch-technischen Ansatz verfolgt,   jahr 2022 sind bereits jetzt
 nen festgestellt“, weiß Ramona Holler: „Beim   bekomme mit der OTA-Ausbildung den direkten   möglich: einfach QR-Code
 Schreiben der Briefe sind der Kreativität und   Zugang zum Beruf und müsse nicht mehr ins-  scannen.
 den Gedanken keine Grenzen gesetzt – und das   gesamt sieben Jahre warten, um seinen Traum-
 ist das Tolle daran!“  beruf ausüben zu dürfen. „Bis dahin haben viele
        schon aufgegeben“, sagt Christiane Kempf.
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