Page 14 - Miteinander + Füreinander - 01 / 2020
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Wir mittendrin





                             Schwesternschaft                                                                                  Corona-Einsatz in Kirchheim / Teck





                             in Zeiten von Corona                                                                                                                         Angekommen war der Empfang durch die Ein-

                                                                                                                                                                          satzleitung und die Kolleg*innen vor Ort sehr
                                                                                                                                                                          herzlich. Allerdings war das Hotel, in dem ich
                                                                                                                                                                          eigentlich während meiner Tätigkeit unterge-
                                                                                                                                                                          bracht werden sollte, alles andere als begeis-
                             Die Corona-Krise hat uns alle im wahrsten Sinne  Es ist überwältigend zu sehen, wie engagiert                                                tert, mich als Gast zu beherbergen. Aus diesem
                             des Wortes überrollt. Damit hat sich unser aller  unsere Mitglieder, Mitarbeiter*innen und Frei-                                             Grund bekam ich ein Zimmer im Hotel meiner
                             Fokus vollkommen geändert, die Welt scheint  willigen in dieser Krise daran arbeiten, im Sinne                                               Kolleg*innen.
                             nicht mehr dieselbe zu sein. Wir müssen uns  unserer Rotkreuzidee Menschen in Not zu helfen.
                             fortlaufend mit neuen Maßnahmen und Ver-   Die Bereitschaft aller, sich diesen Herausforde-
                             ordnungen zur Krisenbewältigung befassen,  rungen zu stellen, neue Aufgaben zu überneh-
                             sowohl im privaten als auch im beruflichen Kon-  men, ein größeres Arbeitspensum zu bewältigen                                               Unsere Arbeit mit den
                             text.  Wir  als  Schwesternschaft  mussten  viele  und nicht danach zu fragen, ob das, was gerade                                            Rückkehrer*innen aus Wuhan
                             Bereiche neu überdenken und unsere personel-  getan werden muss, zur eigentlichen Aufgabe
                             len Ressourcen klug einsetzen, um mit unserem  gehört, ist einfach beeindruckend. Gerade jetzt
                             systemrelevanten Kerngeschäft „Pflege“ unsere  in dieser Situation zeigt sich, dass unser Rot-                                               Bei den Rückkehrer*innen handelte es sich um
                             Partner in Gesundheits- und Pflegeeinrich-  kreuzgedanke trägt. Unsere  Grundsätze  sind                                                     zehn Erwachsene und fünf Kinder, die in Wuhan
                             tungen zu unterstützen. Für uns Pflegende ist  tatsächlich spürbar in unserer täglichen Arbeit.                                              gelebt, gearbeitet oder Urlaub verbracht hatten.
                             es die größte Herausforderung, der wir uns in  Wir können unheimlich stolz darauf sein, zu die-   Bevor Corona zum Hauptthema in Deutschland
                             den letzten Jahrzehnten in Deutschland stellen  ser großartigen Gemeinschaft dazuzugehören!       wurde, haben wir in unseren Reihen dazu auf-  Die  Versorgung  dieser  „Isolierten“  wurde  von
                             mussten. Und genau das haben wir getan und   Aber was haben wir als Schwesternschaft in           gerufen, die DRK-Quarantänezentren für die   Rettungskräften, Pflegepersonal sowie von
                             tun wir immer noch!                                                                                                                          Mitgliedern der PSNV (psychosozialen Notfall-
                                                                        unseren unterschiedlichen Bereichen im Einzel-         Rückkehrer aus Wuhan zu unterstützen. Unser   versorgung) übernommen. In zwei Zwölf-Stun-
                                                                        nen bewirkt? Im Folgenden erfahren Sie, wie wir        Mitglied  Alexandra Raßner  (im Bild in vol-  den-Schichten wurde für die unter Quarantäne
                                                                        uns während der Pandemie aufgestellt haben.            ler Schutzmontur) hat sich sofort dazu bereit   stehenden Menschen alles getan, um ihnen das
                                                                                                                               erklärt, den Kollegen*innen in Kirchheim / Teck   Leben so angenehm wie möglich zu machen.
                                                                                                                               zu helfen. Wir haben sie gefragt, wie ihr Aufent-  Sie  standen  über  Telefon und  E-Mail im  stän-
                                                                                                                               halt in Baden-Württemberg war:
                                                                        Wir sind systemrelevant –                                                                         digen Kontakt zu den Versorger*innen, sodass
                                                                        Pflegekräfte im Einsatz                                „Ich heiße Alexandra Raßner, bin 51 Jahre alt,  fast jeder Wunsch unmittelbar erfüllt wurde.
                                                                                                                               verheiratet und habe einen 21-jährigen Sohn.  Persönlichen Kontakt zu den Isolierten gab es
                                                                                                                                                                          selten, wir begleiteten sie lediglich raus in den
                                                                                                                               Seit dem Beginn meiner Ausbildung 1988 zur   zur Außenwelt abgesperrten Garten. Mit einem
                                                                        Durch COVID-19 hat das Thema Pflege zuneh-             Krankenschwester bin ich Mitglied der Schwes-  Sicherheitsabstand  von  zwei  Metern  kamen
                                                                        mend an Bedeutung gewonnen: sowohl in der              ternschaft Marburg e. V. und fühle mich in dieser   wir mit den Rückkehrer*innen auch ab und zu
                                                                        Politik als auch in der breiten Bevölkerung. Es        gut aufgehoben und betreut. Wo sonst bekommt   ins Gespräch. So erfuhr man unter anderem,
                                                                        mussten zusätzliche Intensivkapazitäten in den         man die Möglichkeit geboten, an Einsätzen wie   dass die Menschen in China schon bis zu vier
                                                                        Kliniken geschaffen werden, in der Altenpflege         diesem teilzunehmen?                       Wochen unter Quarantäne gestanden hatten.
                                                                        haben wir uns auf erschwerte Arbeitsbedingun-          Direkt nach meinem Examen 1991 fing ich auf
                                                                        gen durch Isolierungen von Heimbewohnern               der Station 4B der Psychiatrie an. Seit 2009   Besonders in Erinnerung ist mir der Arzt vom
                                                                        vorbereitet. Die Quarantänemaßnahmen führ-             arbeite ich auf der Gastroenterologie / Infek-  dortigen Gesundheitsamt geblieben, der Abstri-
                                                                        ten dazu, dass teilweise Pflegekräfte nicht zur        tiologie Station 021 am Standort Marburg des   che bei den Isolierten entnommen hatte. Denn
                                                                        Arbeit kommen konnten. Die Sorge, dass die             UKGM.                                      dieser Arzt war wohl etwas überfordert mit dem
                                                                        Aufgaben und die damit einhergehende Ver-                                                         Ganzen, er trug zwar einen kompletten Körper-
                                                                        antwortung nicht bewältigt werden können, war          Zu dem Einsatz in Kirchheim unter Teck kam es,  schutz (Anzug, Haube, Schuhe, Brille), aber er
                                                                        eine ständige Begleiterin.                             weil die Schwesternschaft Freiwillige suchte,  zog nur ein Paar Handschuhe an, welche er bei
                                                                                                                               die Rückkehrer*innen aus Wuhan mit deutscher  jedem Abstrich trug, sodass es bei einem posi-
                                                                        Vor allem unser Team PflegePersonal parat,             Staatsbürgerschaft in Quarantäne betreuen und  tiven Befund zu einer Verschleppung der Viren
                                                                        unsere Mitglieder auf den Stationen und auch           versorgen sollten, und da mich dieses Projekt  gekommen wäre. Da aber alle Tests vorher und
                                                                        unser Seniorenheim „Haus am alten Botani-              sehr  interessierte,  sagte  ich  auch  sofort  zu.  auch später negativ waren, konnten alle unter
                                                                        schen Garten“ mussten sich diesen Herausfor-           Bereits ein paar Tage später saß ich im Auto, auf  Quarantäne stehenden Personen eine Woche
                                                                        derungen im hohen Maß stellen.                         dem Weg nach Kirchheim unter Teck.         später gesund nach Hause entlassen werden.“

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